Seit einigen Jahren gibt es in NRW das Religionsersatzfach PP, vergleichbar mit den Fächern Ethik, LER o.ä. anderer Bundesländer. 'Religionsersatz' bedeutet, dass an PP alle Schülerinnen und Schüler teilnehmen, die nicht am weltanschaulich gebundenen christlichen Religionsunterricht teilnehmen. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zum (Oberstufen-)Fach Philosophie, das nur insofern mit Religion zu tun hat, als jede Schülerin und jeder Schüler bis zum Ende der JgSt. 12 am Unterricht in mindestens einem der beiden Fächer teilnehmen muss. Eine Abmeldung von (oder auch Anmeldung zu) Religion ist über das Sekretariat möglich. Informationen zu den Wechselmöglichkeiten sowie die passenden Formulare findet man hier.

I. Rechtliche Grundlage

§3 APO-SI:
(5) Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind verpflichtet, am Unterricht im Fach Praktische Philosophie teilzunehmen, soweit die personellen und sächlichen Voraussetzungen erfüllt sind. [...]Praktische Philosophie in der Sekundarstufe I und im Berufskolleg
RdErl. d. Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder v. 15.8.2003 (Abl. NRW. S. 300)

1. Grundsätzliches
1.1 Praktische Philosophie ist ein ordentliches Unterrichtsfach mit zwei Unterrichtsstunden in der Woche. Es werden Noten erteilt, die versetzungsrelevant sind (§25 ASchO).
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3. Teilnahme am Fach Praktische Philosophie
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3.2 Der Wechsel vom Religionsunterricht zum Fach Praktische Philosophie und der Wechsel vom Fach Praktische Philosophie zum Religionsunterricht ist in der Regel jeweils zum Beginn eines Schulhalbjahres möglich. Der Wechsel zwischen den Fächern ist von der religionsmündigen Schülerin oder dem religionsmündigen Schüler, sonst von den Erziehungsberechtigten, der Schulleitung schriftlich mitzuteilen (vgl § 11 Abs. 3 AschO).

II. Auszüge aus dem Kerncurriculum Praktische Philosophie

1. Aufgaben und Ziele des Faches Praktische Philosophie
Der Unterricht im Fach Praktische Philosophie richtet sich gemäß § 37 des Schulgesetzes an Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen.
Praktische Philosophie trägt zum Bildungsauftrag der Schule bei, der die persönliche, soziale und politische Bildung der Schülerinnen und Schüler umfasst. Das Fach fördert die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zu sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Orientierung an Grundwerten, zur kulturellen Mitgestaltung sowie zu verantwortlicher Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt.
Unsere Gesellschaft ist gekennzeichnet durch eine Pluralisierung der Lebensformen, der sozialen Beziehungen und der Wertvorstellungen, durch das Zusammenleben von Menschen verschiedener Ethnien und Kulturen mit unterschiedlichen religiösen Vorstellungen und Weltanschauungen. Unübersichtlichkeiten in der Berufs- und Freizeitwelt erschweren die Besinnung auf zentrale Lebenswerte und eine Auseinandersetzung damit.

Zentrales Anliegen des Faches ist es, zur Entwicklung von Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern beizutragen, die sie befähigen, sich systematisch mit Sinn- und Wertfragen auseinander zu setzen, sie bei der Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz anzuwenden und in einer demokratischen Gesellschaft selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und tolerant zu leben. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln dazu Empathiefähigkeit und gelangen zu einem Wert- und Selbstbewusstsein, das verantwortliches Handeln begründet. Im Unterricht sollen durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Ideen, Wertvorstellungen und Normen Kriterien für deren Beurteilung erarbeitet und die eigene Reflexions- und Urteilsfähigkeit gefördert werden. Das Verständnis für weltanschauliche, religiöse und ideengeschichtliche Positionen ist Grundlage für interkulturelle und intrakulturelle Toleranz und ermöglicht kognitive, emotionale und soziale Orientierungen.

Das Fach Praktische Philosophie ist auf die zusammenhängende Behandlung von Sinn- und Wertfragen gerichtet. Während dies im Religionsunterricht auf der Grundlage eines Bekenntnisses geschieht, übernimmt Praktische Philosophie diese Aufgabe auf der Grundlage einer argumentativ-diskursiven Reflexion im Sinne einer sittlich- moralischen Orientierung ohne Bindung an eine bestimmte Religion oder Weltanschauung. Bezugspunkt für die Ausrichtung des Faches ist die Werteordnung, wie sie in der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und in den Menschenrechten verankert ist.


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4.2 Kompetenzerwartungen und zentrale Inhalte in den Jahrgangstufen 7- 9

Am Ende der Sekundarstufe I sollen die Schülerinnen und Schüler über die nachfolgenden Kompetenzen verfügen:

Personale Kompetenz
Die Schülerinnen und Schüler

  • reflektieren den Wert der eigenen Persönlichkeit in Beziehung zu anderen und bringen das Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten in symbolischer Gestaltung zum Ausdruck,
  • artikulieren die Bewertung von Gefühlen als gesellschaftlich bedingt und erörtern Alternativen,
  • erproben in fiktiven Situationen vernunftgemäße Aktionen und Reaktionen, entwickeln bei starken Gefühlen einen rationalen Standpunkt und treffen eine verantwortliche Entscheidung,
  • bewerten komplexe Sachverhalte und Fallbeispiele und diskutieren diese angemessen,
  • diskutieren Beispiele autonomen Handelns und Zivilcourage hinsichtlich ihrer Motive,
  • stellen verschiedene soziale Rollen authentisch dar und antizipieren und reflektieren soziale Rollen,
  • treffen Entscheidungen im Spannungsfeld von Freiheit und Verantwortung,
  • erörtern Antworten der Religionen und der Philosophie auf die Frage nach einem sinnerfüllten Leben und finden begründet eigene Antworten.

Soziale Kompetenz
Die Schülerinnen und Schüler

  • reflektieren den Wert der Meinung anderer und formulieren Anerkennung und Achtung des anderen als notwendige Grundlage einer pluralen Gesellschaft,
  • denken sich an die Stelle von Menschen unterschiedlicher Kulturen und argumentieren aus dieser fremden Perspektive,
  • reflektieren und vergleichen individuelle Werthaltungen mit Werthaltungen verschiedener Weltanschauungen und gehen tolerant damit um,
  • erkennen und reflektieren Kooperation als Prinzip der Arbeits- und Wirtschaftswelt,
  • lassen sich auf mögliche Beweggründe und Ziele anderer ein und entwickeln im täglichen Umgang miteinander eine kritische Akzeptanz,
  • entwickeln ein konstruktives Konfliktverhältnis und argumentieren in Streitgesprächen vernunftgeleitet,
  • lernen Bereiche sozialer Verantwortung kennen, erproben Möglichkeiten der Übernahme eigener Verantwortung und reflektieren die Notwendigkeit verantwortlichen Handelns in der Gesellschaft.

Sachkompetenz
Die Schülerinnen und Schüler

  • erfassen gesellschaftliche Probleme in ihren Ursachen und ihrer geschichtlichen Entwicklung, diskutieren diese unter moralischen und politischen Aspekten und formulieren mögliche Antworten,
  • entwickeln Übersicht über unsere Medienwelt, gehen kompetent und kritisch mit neuen Medien um und reflektieren die Bedeutung der Medien und medialen Kulturtechniken,
  • entwickeln verschiedene Menschenbilder und des Umgangs mit der Natur und diskutieren kulturvergleichend Grundfragen menschlicher Existenz,
  • erfassen ethische und politische Grundbegriffe und wenden diese kontextbezogen an,
  • begründen kriteriengeleitet Werthaltungen,
  • beschreiben differenziert Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozesse und ordnen sie entsprechenden Modellen zu,
  • reflektieren kulturelle Phänomenen und philosophische Aspekte von Weltreligionen,
  • nehmen gesellschaftliche Entwicklungen und Probleme in ihrer multikulturellen Prägung wahr, bewerten sie moralisch-politisch und entwickeln Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen.

Methodenkompetenz
Die Schülerinnen und Schüler

  • beschreiben Komplexität und Perspektivität von Wahrnehmung,
  • erarbeiten philosophische Gedanken und Texte,
  • definieren Fachbegriffe korrekt und verwenden sie sachgerecht,
  • erkennen Widersprüche in Argumentationen und ermitteln Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Widersprüche,
  • führen Gedankenexperimente zur Lösung philosophischer Probleme durch,
  • analysieren und moralischen Dilemmata konfligierende Werte und beurteilen sie,
  • führen eine Diskussion über ein philosophisches Thema im Sinne des sokratischen Philosophierens,
  • verfassen eine Argumentation zu einem philosophischen Thema und legen ihre Gedanken strukturiert dar.

Die o.g. Kompetenzen sollen im Rahmen der Behandlung der folgenden Fragenkreise erworben werden. Die Behandlung aller sieben Fragenkreise [...] ist obligatorisch. Dabei sind [...] fünf Fragenkreise[...] jeweils durch zwei Schwerpunkte abzudecken. [...]

Fragenkreis 1: Die Frage nach den Selbst
Schwerpunkte:
• Gefühl und Verstand
• Geschlechtlichkeit und Pubertät
• Freiheit und Unfreiheit
• Leib und Seele

Fragenkreis 2: Die Frage nach dem Anderen
Schwerpunkte:
• Freundschaft, Liebe und Partnerschaft
• Begegnung mit Fremden
• Rollen- und Gruppenverhalten
• Interkulturalität

Fragenkreis 3: Die Frage nach dem guten Handeln
Schwerpunkte:
• Lust und Pflicht
• Gewalt und Aggression
• Entscheidung und Gewissen
• Freiheit und Verantwortung

Fragenkreis 4: Die Frage nach Recht, Staat und Wirtschaft
Schwerpunkte:
• Recht und Gerechtigkeit
• Politische Utopien
• Arbeits- und Wirtschaftswelt
• Völkergemeinschaft und Frieden

Fragenkreis 5: Die Frage nach Natur, Kultur und Technik
Schwerpunkte:
• Mensch und Kultur
• Technik – Nutzen und Risiko
• Wissenschaft und Verantwortung
• Ökologie versus Ökonomie

Fragenkreis 6: Die Frage nach Wahrheit, Wirklichkeit und Medien
Schwerpunkte:
• „Wahr“ und „falsch“
• Virtualität und Schein
• Vorurteil, Urteil, Wissen
• Quellen der Erkenntnis

Fragenkreis 7: Die Frage nach Ursprung, Zukunft und Sinn
Schwerpunkte:
• Glück und Sinn des Lebens
• Ethische Grundsätze in Religionen
• Sterben und Tod
• Menschen- und Gottesbilder in Religionen

 

Leistungsbewertung PP/PL

Das Curriculum zum Download

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